Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

5 Rolle der Schule

5.1 Kirche und Schule

schule und kirche
In einer ihrer Ausgaben aus dem Jahr 1911 gab die "Odessaer Zeitung" auf die Frage "Warum sind die Deutschen Südrusslands wohlhabender als die sie umgebenden Ackerbautreibenden anderer Nationen?" an erster Stelle die Antwort: "Sie können lesen und schreiben, sind also gebildeter, eine Frucht des Zusammenwirkens von Kirche und Schule."

Die hier angesprochene enge Verbindung zwischen Kirche und Schule, die sich auch in den Bezeichnungen Kirchenschule link und Küsterlehrer link niederschlug, bestand seit dem Beginn der Kolonisation und dauerte bis zur Revolution von 1917.

Ihren Ausdruck fand sie in einer Reihe von Gesetzen und Verordnungen wie zum Beispiel im Gesetz für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Russland (1832) link oder der Verordnung link über Schul- und Religionsunterricht in den Saratower Kolonien (1840).

Das Schulwesen wurde als eine Funktion der Kirche betrachtet. Es war eine Eigenart der deutschen Kolonien, dass die Unterweisung der Jugendlichen den Geistlichen oblag. Gründung und Führung von Schulen wurde als ihre Aufgabe betrachtet, ebenso die Gestaltung des Stundenplanes link und die Aufsichtspflicht über die Schulen.

In dem 1832 verabschiedeten Kirchengesetz für die Evangelisch-Lutherische Kirche wurden die inhaltlichen Aufgaben der Pfarrer im Schulwesen beschrieben: "Die Prediger müssen fleißig die Landschulen besuchen und auf die religiöse Bildung der Jugend sowohl in den Schulen als in ihren Gemeinden überhaupt Acht haben." In der "Verordnung über Schul- und Religionsunterricht in den Saratower Kolonien" aus dem Jahr 1840 wurde die Stellung der Geistlichen im Schulwesen ebenfalls gewürdigt. "Die Patres der römisch-katholischen und die Pastoren der protestantischen Konfession prägen ihren Pfarrkindern bei jeder Gelegenheit die Heiligkeit der Pflicht ein, ihre Kinder in Gottesfurcht zu erziehen und sie rechtzeitig in die Kirchenschulen zu schicken, deren Hauptaufgabe in der Unterrichtung der Jugend in der Religion besteht."

Die einseitige Ausrichtung auf die religiöse Bildung und Erziehung beinhaltet auch noch der im Februar 1876 vom lutherischen Konsistorium vorgelegte Entwurf für ein Schulstatut. Der Paragraph 1 definierte die Schule als eine Einrichtung zur "Vorbereitung der Jugend auf den Konfirmandenunterricht".
 
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