Vor dem Hindergrund der sich trotz der eingeleiteten Reformen weiter verschärfenden innenpolitischen Situation erhielt die Diskussion über die Ergebnisse der russischen Kolonisationspolitik seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts einen zunehmend emotional-nationalistischen Charakter.
Mit den Russlanddeutschen wurde eine Bevölkerungsgruppe Ziel propagandistischer Angriffe, die wegen ihrer wirtschaftlichen Erfolge und des daraus resultierenden Einflusses den Neid weniger erfolgreicher Bevölkerungsteile hervorriefen.
- Die Revisoren Kign und Tscharuschin verweisen in ihrem aus dem Jahr 1890 stammenden Bericht auf einen in den Kolonien herrschenden deutsch-nationalen Geist.
- Der wachsende Landbesitz der deutschen Kolonisten und das Wachstum der Kolonien – beides wurde als Ausdruck des "deutschen Landhungers" bewertet – beunruhigte nicht nur weite Teile der Bevölkerung, sondern auch die russische Ministerialbürokratie.
- Besonders der Landerwerb durch deutsche Kolonisten in Wolhynien bot Gelegenheit, Ängste vor einer "Germanisierung" der russischen Grenzgebiete zu schüren.
- Dieser "Landhunger" war kein ausschließlich deutsches Phänomen , sondern eine Folge des sich schnell entwickelnden Kapitalismus in Russland.
Neben den emotional-nationalistisch geprägten Argumenten gab es in der Diskussion um die "deutsche Frage" aber auch weiterhin
rational begründete Beiträge zu den Leistungen der Russlanddeutschen bei der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands im 19. Jahrhundert.