Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

5 Rolle der Schule

5.8 Russifizierung Unterricht

Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Russland durchgeführten Reformen erfassten auch das Schulwesen in den deutschen Kolonien. Hier konzentrierten sich die Veränderungen im Wesentlichen auf zwei Bereiche. Am 2. Mai 1881 wurden die Schulen der Russlanddeutschen dem Ministerium für Volksbildung unterstellt, die Kirche verlor damit ihren bestimmenden Einfluss auf das Schulwesen. Außerdem sollte die russische Sprache schrittweise als Unterrichtssprache eingeführt werden.

Von den deutschen Kolonisten wurde die Notwendigkeit link, die russische Sprache in der Schule zu erlernen, nicht in Frage gestellt, sie beklagten aber die zunehmenden chauvinistischen Tendenzen, die sich dabei zeigten.

Noch 1890/91 musste das Volksbildungsministerium eine behutsame Umsetzung des Gesetzes von 1881 anmahnen. Zugleich wurde verfügt, nur noch die Lehrer zum Schuldienst zuzulassen, die das russische Lehrerexamen abgelegt hatten. Gab es an einer Schule keinen Lehrer, der Russisch konnte, so musste einer eingestellt werden. Lehrer und Kinder konnten sich oftmals überhaupt nicht mehr verständigen. Die Einführung der russischen Sprache als Unterrichtssprache wurde folglich von vielen Kolonisten als Beginn einer Russifizierung betrachtet.

Als 1897 dann noch angeordnet wurde, den überwiegenden Teil des Unterrichts in Russisch abzuhalten, verschärften sich diese Konflikte. Die Kolonisten empörten sich vor allem darüber, dass sie nun zwei Lehrer bezahlen sollten und der russischsprachige Lehrer in der Regel von den Kindern überhaupt nicht verstanden wurde, umso mehr, wenn es sich um Personen handelte, die mit aller Macht auf eine Russifizierung drängten, die die deutsche Sprache nicht beherrschten und kein Verständnis für die Eigenarten der Kolonisten hatten.

Insgesamt führten diese Maßnahmen zu einem rapiden Niedergang, in einigen Kolonien gar zum völligen Zusammenbruch des Schulwesens.

Die Revolution von 1905 bedeutete auch hier einen Einschnitt. In vielen Dörfern wurden die russischen Lehrer von den Kolonisten regelrecht vertrieben.

Andererseits mehrten sich Stimmen, die diese Maßnahmen nicht einseitig negativ bewerteten. Geistliche beispielsweise äußerten sich zustimmend zu dem Grundanliegen, die Kolonisten stärker in die russische Entwicklung einzubinden, wandten sich aber gegen Tempo und Methoden seiner Umsetzung. Gerade sie ließen das Ganze als gewollte "Russifizierung" erscheinen. Einen Rückfall in die Zustände von vor 1887 oder 1891 wünschte eigentlich niemand. Verschiedene Initiativen link während und nach der Revolution von 1905 wiesen darauf hin.
 
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