Mit diesem Gesetz vom 4. Juni 1871 wurden die historisch entstandenen Kolonistengesetze und die kolonistische Selbstverwaltung aufgehoben.
Wichtigste Neuerungen für die deutschen Kolonisten, die von nun ab als Siedlereigentümer bezeichnet wurden, waren:
- Die Siedlereigentümer wurden den Gouvernements- und Kreisbehörden sowie den lokalen Behörden für Bauernangelegenheiten unterstellt.
- Alle Beschlüsse, die von Dorf- oder Kreisversammlungen gefasst wurden, waren dem zuständigen Gouverneur zur Kenntnis zu bringen. Sie bedurften seiner Genehmigung. Der Gouverneur oder das Innenministerium konnten Beschlüsse von Dorf- oder Kreisversammlungen aufheben, wenn diese als gesetzwidrig oder gegen die Staatsinteressen gerichtet betrachtet wurden.
- Gegenüber den Kolonisten auf der Ebene der Bezirke und Gouvernements bestand eine Aufsichtsbefugnis.
- Der Semstwoverwaltung wurden neben dem Schulwesen
Gesundheits- und landwirtschaftliche Einrichtungen unterstellt.
- In allen Ämtern und Gerichten wurde Russisch Amtssprache
.
- Das "Angleichungsgesetz" stand in einem direkten Zusammenhang mit der Semstworeform (1864). Seine Bestimmungen über die Unterstellung der Kolonisten unter die russische Verwaltung eröffneten diesen reale Möglichkeiten, auf lokaler und regionaler Ebene (in den Semstwogremien) aktiv zu werden und ihre wirtschaftlichen Belange zu vertreten. Sie erhielten so auch die Chance, sich an jenen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, die für das ganze Land – abhängig vom Engagement ihrer Träger – bestimmend wurden. Zugleich konnten sich aus Bestimmungen wie die Unterstellung des bisherigen deutschen Schulwesens unter die Semstwos und die "Einführung" des Russischen als Amtssprache Befürchtungen einer Russifizierung ergeben.
- Das bisher in Südrussland bestehende Erbrecht wurde aufgehoben.
- Die Ansiedler hatten jetzt das Recht, aus der Dorfgemeinschaft auszuscheiden. Sie konnten das von ihnen bewirtschaftete Kronsland für eine Ablösesumme
kaufen und zur Einzelhofwirtschaft übergehen. Über die Zusammenlegung der Bodenabschnitte austrittswilliger Kolonisten, die in der Wolgaregion zahlreich waren, hatte die Gemeindeversammlung mehrheitlich zu entscheiden.
- Die Freistellung von der Einquartierungspflicht wurde für die nächsten zehn Jahre weiter gewährt.
- Die Befreiung der Kolonisten vom Militärdienst wurde befristet bis zum Inkrafttreten des allgemeinen Militärdienstgesetzes 1874 verlängert.
- Die Kolonisten konnten – da sie ihre einstigen Privilegien verloren – in einen anderen Stand der russischen Gesellschaft wechseln oder aus dem russischen Staatsverband ausscheiden. Die Frist für diese Entscheidung betrug gleichfalls zehn Jahre.