Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

3 "Deutsche Frage" und Lösungswege

3.5 Ausbruch des Ersten Weltkrieges

3.5.3 Pogrom

3.5.3.1 Verlauf der Ereignisse

Der Pogrom begann am 27. Mai 1915.
An diesem Tag erhoben die Arbeiter der Kattunfabrik "Hübner" die Forderung, dass alle deutschen Arbeiter und Angestellten zu entfernen seien. Ansonsten drohten sie mit der Niederlegung der Arbeit. (Bei den "Deutschen" handelte es sich um Elsässer, die unter dem Schutz der französischen Regierung standen und auf deren Drängen hin von der Ausweisung aus Moskau ausgenommen worden waren. Alle Versuche, den russischen Arbeitern diesen Sachverhalt nahe zu bringen, scheiterten.)

Die Arbeiter zogen am Abend mit russischen Fahnen und einem Porträt des Zaren Nikolaus II. unter der Parole "Nieder mit den Deutschen" zur Manufaktur der Unternehmerfamilie Prochorow. Ihr Vorhaben, dort einzudringen, konnte von der Polizei verhindert werden. Am folgenden Tag strömten Demonstranten zur Manufaktur "Emil Zündel", wo sie das Kontor völlig zerstörten. Der schwedische Staatsbürger Karlsen wurde von ihnen brutal zusammengeschlagen und anschließend in der Moskwa ertränkt.

Am gleichen Tag wurde das Haus des Fabrikdirektors Robert Schrader von Teilnehmern des Pogroms gestürmt und verwüstet. Anschließend ereilte die Wohnung der Mitbesitzerin dieser Fabrik, der russischen Erbadligen Betti Engels, das gleiche Schicksal. Die hier anwesenden vier Frauen wurden misshandelt und getötet. Die Fabrik und die Wohnungen wurden angezündet und die Feuerwehr an ihren Löschversuchen gehindert.

Am 28. Mai erfasste der Pogrom das gesamte Moskauer Stadtgebiet. Kleinere Gruppen von 15 bis 20 Personen zogen plündernd durch die Straßen der Stadt, ohne dass sie von der Polizei aufgehalten wurden. Dass dieser Pogrom von blindem antideutschen Hass getragen wurde, zeigt eine tragisch-komische Episode link.

Gegen drei Uhr nachmittags des gleichen Tages richtete sich der Pogrom dann unterschiedslos gegen alle Geschäfte und Läden, auf die die Demonstranten trafen. Der Pogrom ging nun im gesamten Stadtgebiet in eine offene Plünderung über, wobei sich die Polizei nach übereinstimmenden Zeugenaussagen passiv verhielt. Polizeivertreter leugneten später dieses Verhalten auch nicht. Sie erklärten es mit ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit und dem Verbot, mit Waffengewalt gegen die Teilnehmer des Pogroms vorzugehen.

Erst am 29. Mai wurde der Pogrom durch einrückende reguläre Truppen mit Waffengewalt beendet.
 
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