Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil IV 1955 bis Heute

4 Aufnahmebedingungen

4.2 Gesetzliche Grundlagen

4.2.3 Kriegsfolgenbereinigungsgesetz, Bundesvertriebenengesetz und "Spätaussiedler"

4.2.3.2 Wohnortwahl

4.2.3.2.1 Zeitzeugen über ihre Wohnortwahl

Aliede Siegle, deren Vorfahren aus Brandenburg und Pommern stammen, folgte ihrem sich als echten Schwaben verstehenden Mann nach Baden-Württemberg:

  "Mein Mann, das war ein Schwab. Mein Mann ist ein echter Schwab gewesen. Der war aus Waiblingen, seine Vorfahren. Und die sind angesiedelt in Kaukasus auf so Dörfer, und da hamm sie ihre Sprache behalten, die schwäbische Sprache. Einheimische wunderten sich – ihres nordostdeutschen Akzents wegen – über ihren Wechsel ins Schwabenland: Sogar hamm mich hier die Schwaben gefragt: 'Frau Siegle, warum wohnen sie hier – sie sind doch keine Schwäbin?!' Hab ich gesagt: 'Mein Mann war ein Schwab, ein echter Schwab, und ich mag die Schwaben, darum wohn' ich hier!'"

Häufig müssen die Aussiedler zwischen zwei oder mehreren Entscheidungskriterien wählen. Die in der Wolgarepublik aufgewachsene und in die sibirische RSFSR deportierte Appolonia Bosch wählte trotz ihres hessischen Dialekts und der Abstammung ihrer Vorfahren aus Hessen Tübingen als zukünftigen Wohnort. Empfehlungen von sowjetischen und russlanddeutschen Arbeitskollegen hinsichtlich eines Arbeitsplatzes in der Bundesrepublik und das an ihrem zukünftigen Wohnort vorherrschende Klima gaben bei ihrer Entscheidung den Ausschlag:

  "Anfangs wollte ich nach Hessen ziehen, wo meine Mundart ist. Ich dachte, hier würde ich mich schlecht einbürgern, weil hier ja die schwäbische Mundart ist. Aber ich wollte meine alten Tage im Süden verleben, ich war die Pelzmäntel und Filzstiefel müde. Tübingen ist eine schöne Stadt."

Hulda Reis begründet ihre Wohnortwahl so:

  "Unsere Katharinenfelder, die damals wegmussten, die Reichsdeutschen haben wir sie genannt, die haben sich zum größten Teil in der Pfalz angesiedelt, nicht in Württemberg. Als die ersten, die Reichen hier wiederankamen, da haben sie sich erst in Württemberg umgeschaut, aber da hat's ihnen nicht so behagt, mit dem Land. Die wollten wieder Weinbau machen. Und nicht in den Bergen, sondern in den Flächen, wie im Kaukasus. Und in der Pfalz haben sie sich dann dort angesiedelt. Und als dann die Ärmeren kamen, da hamm die sich auch dort angesiedelt, weil da schon Landsleute waren. Es war ja eine schwere Zeit. Hauptsächlich bei Neustadt. Und da werden auch die Treffen gemacht."
 
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