Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

5 Rolle der Schule

5.4 Schulpflicht

5.4.1 unregelmäßiger Schulbesuch

Aus Quellen geht hervor, dass Mitte des 19. Jahrhunderts fast alle Kolonistenkinder eine so genannte Winterschule (1. Oktober - 31. März) besuchten.
Der Schulbesuch war aber sehr unregelmäßig, auch festgelegte Geldstrafen für die Verletzung der Schulpflicht link änderten an dieser Tatsache nichts.

In der "Odessaer Zeitung" (9. Februar 1866) schrieb Pastor Behning, die Kinder würden während des sechsmonatigen Schuljahres über die Hälfte der Zeit fehlen:

  "Wenn der liebe Gott nicht alle Dreschplätze mit Schnee deckte, alle Pflüge einfrieren ließe, bekämen wir die Kinder alle nimmer in die Schule. Und selbst im Winter dauern die Versäumnisse in einer furchtbaren Zahl fort und der erste Frühlingssonnenschein treibt sie alle wieder auf Nimmerwiedersehen hinaus. Der Schullehrer bittet, der Pastor ermahnt, der Schulze gibt sich die Mine, als ob er strafen wollte, der zur Hilfe gerufene Oberschulze läßt ein Papier unter Nummer und Kronssiegel an die Schulzenämter ergehen. Und es bleibt alles beim Alten."

In den Wolgakolonien sah es ähnlich aus. In einem Bericht aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts heißt es:

  "Kommt man vom September bis November, vom Februar bis zum Mai in diese Schulen hinein, so findet man wenig oder gar keine Schüler, wird eine Schulrevision um Frühling abgehalten, so muß der Gemeindebüttel so viele zusammenrufen, wie er gerade zufällig findet ...wenn es nur geht, bringt durchschnittlich jedes Kind bis zum 15. Jahre vielleicht 700 Tage, vielleicht aber auch kaum 365 Tage in der Schule zu. Gut, wenn in dieser Zeit wenigstens in einem fortlaufenden, ununterbrochenen Kursus unterrichtet werden könnte, aber diese Tage verteilt der launische Zufall auf einen Zeitraum von acht Jahren!"

Noch 1904 bezeichnete Pastor Jacob Stach den äußerst kurzen und "verzweifelt unregelmäßigen Schulbesuch" als ein Haupthindernis für einen halbwegs erfolgreichen Unterricht. "In vielen Schulen sitzen aber auch heute noch 100 bis 150 Kinder in einer Klasse. Nun ja, sitzen ja nicht, weil fast die Hälfte fehlt."
 
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