Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

5 Rolle der Schule

5.5 Elementarbildung

  "Es ist kaum zu fassen, wie diese Schulen noch das haben leisten können, was sie geleistet haben." Mit diesem Satz zollte Probst Johannes Kosciol den Leistungen der Lehrer in den Dorf- bzw. Kirchenschulen seinen Respekt.

Trotz der ungünstigen äußeren Bedingungen – hohe Schülerzahlen, schlecht ausgebildete Lehrer, unregelmäßiger Schulbesuch – gab es unter den deutschen Kolonisten erheblich weniger Analphabeten als unter ihren russischen oder ukrainischen Nachbarn. Die Schulen vermittelten die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben sowie Grundkenntnisse im Rechnen.

Über den Bildungsstand der Wolgadeutschen Mitte des 19. Jahrhunderts informiert ein Revisionsbericht aus dem Jahr 1862. Von damals 100.809 männlichen "Revisionsseelen" besuchten 20.679 im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren die Schule, 56.031 waren im Alter zwischen sechzehn und sechzig Jahren. Von den erwachsenen 27.339 Männern im Alter zwischen fünfzehn und dreißig Jahren konnten 72,3% Gedrucktes und Geschriebenes lesen, 18,2% konnten nicht lesen. Schreiben konnten nur 4,8%, 52% konnten nur ihren Namen und 5,2% konnten überhaupt nicht schreiben. Von den 28.692 männlichen Personen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren konnten 74,3% Gedrucktes und Geschriebenes lesen, 13,2% konnten nicht lesen. Schreiben konnten 7,2%, während 39% überhaupt nicht schreiben konnten. Bei den Jüngeren konnten 43,7%, bei den Älteren 41,5% weder rechnen noch zählen.

Bei einem Vergleich der Altersgruppen fällt auf, dass die älteren Wolgadeutschen einen höheren Bildungsgrad aufwiesen. Anscheinend litt diese Generation noch nicht in dem Maße unter dem einsetzenden Niedergang des Schulwesens. Die Dorf- bzw. Kirchenschulen waren zu Anstalten geworden, in denen schlecht ausgebildete Lehrer und hohe Schülerzahlen meist nur Drill und Schläge als wichtigste pädagogische Methoden zuließen. (vgl. Bericht link)
 
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