In den Wolgakolonien standen den Kolonisten drei verschiedene Schulformen zur Verfügung.
- Kirchenschulen Die Masse der russlanddeutschen Kinder besuchte eine der 193 Kirchenschulen.
- private Genossenschaftsschulen
Vor allem seit 1840 in größerer Zahl entstehende Privatschulen. Solche Schulen - auch als "Gesellschaftsschulen" bezeichnet - waren von wohlhabenden Kolonisten gegründet worden, die ihren Kindern eine bessere Ausbildung zukommen lassen wollten, als dies in den überfüllten Dorfschulen möglich war. An diesen Schulen unterrichteten gut ausgebildete Lehrer in überschaubaren Klassen. Neben Russisch und Deutsch standen Religion, Arithmetik und Geographie als Grundfächer auf dem Stundenplan.
- Semstwo-Schulen
Semstwo-Schulen entstanden ab 1864 auf Initiative der ländlichen Selbstverwaltungen, der Semstwos, überall in Russland. In den Wolgakolonien betrug die Zahl der Gesellschafts- und Semstwo-Schulen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts 64. Hier wurden etwa 2.200 Knaben unterrichtet. Diese Schulen waren bei den Wolgadeutschen zunächst nicht sehr beliebt, weil der Unterricht in russischer Sprache durchgeführt wurde. Da aber ihr Besuch zu einer Verkürzung des seit 1874 obligaten Militärdienstes führen konnte - der Abschluss eines Lehrerseminars sogar zur völligen Befreiung - wuchsen die Schülerzahlen beträchtlich. Aber auch die wachsende Einsicht, dass die Beherrschung der russischen Sprache notwendig war, bewog immer mehr Kolonisten, ihre Kinder auf die Semstwo-Schulen zu schicken.
Im Vergleich zu den Wolgakolonien gab es in den südrussischen Siedlungsgebieten bereits früher eine Differenzierung im Schulsystem. Hier hatten Mennoniten höhere Bildungsanstalten gegründet, aus denen vor allem Lehrer und Priester hervorgingen. Im Lauf der Zeit erhielten in Südrussland alle Schulen, die über die Dorfschulen hinausgingen, die Bezeichnung "Zentralschule", die allerdings nichts über die Qualität der Ausbildung aussagte. Ende des 19. Jahrhunderts gab es außer "Zentralschulen" noch so genannte "Progymnasien" (auch "Realgymnasien"). Nur ein kleiner Teil davon konnte bis 1905 als Privatschulen weitergeführt werden. Andere wurden mit der "Russifizierung" der deutschen Schule geschlossen, wieder andere wurden vom Staat übernommen. Im Ergebnis der Revolution von 1905/07 wurden die gravierendsten Russifizierungserscheinungen im Schulwesen zurückgenommen. Die Privatschulen erlebten erneut eine - wenn auch nur kurze - Blütezeit.