Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

2 Veränderte Rahmenbedingungen für die Russlanddeutschen

2.1 Russland seit der Mitte des 19. Jahrhunderts: Aufhebung der Leibeigenschaft und weitere Reformen

2.1.1 Semstworeform von 1864

Am 1. Januar 1864 trat das "Gesetz über die Semstwoinstitutionen in den Landkreisen und Gouvernements" in Kraft. Danach waren in den Landkreisen und Gouvernements als "Semstwo" bezeichnete Selbstverwaltungsorgane zu bilden. Als deren ausführende Gremien wurden die Semstwoämter geschaffen.

Durch die Semstwoverwaltung wurde die bisherige Verwaltungsstruktur aufgehoben. Regierten bis zu diesem Zeitpunkt von Moskau eingesetzte Bürokraten mit Unterstützung des lokalen Adels das Land, so wurden die neuen Selbstverwaltungsorgane aus allen Bevölkerungsschichten gewählt. Sie gliederten sich in die Verwaltungseinheiten Dorf, Landkreis, Bezirk und Gouvernement.

Die Wahlen zu den Semstwo-Organen erfolgten durch einen Drei-Kurien-Wahlmodus link (Gutsbesitzer, Städter, Bauern). Die beiden ersten Kurien wurden gegenüber der Bauernkurie durch eine besondere Quotenregelung bevorteilt.

Jede der drei Kurien wählte ihre Abgeordneten für das Semstwo des Kreises für drei Jahre. Das Kreissemstwo wiederum wählte drei bis sechs Personen in die Kreisverwaltung und entsandte Vertreter in das Semstwo des Gouvernements.

Das Gesetz galt für die deutschen Kolonisten vorerst nicht. Erst mit dem Gesetz vom 17. Dezember 1866 wurde die Verwaltung der deutschen Kolonien an der Wolga den russischen staatlichen Organen für bäuerliche Angelegenheiten unterstellt. Das Fürsorgekomitee behielt nur noch die Zuständigkeit für Kirchen- und Schulfragen.

Am 4. Juni 1871 wurden die deutschen Kolonisten als letzte Gruppe der bäuerlichen Bevölkerung mit einem Sonderstatus der Semstwoverwaltung unterstellt.
 
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