Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

3 "Deutsche Frage" und Lösungswege

3.2 Emotional – nationalistische Diskussion

3.2.3 Wachstum ausländischer Kolonien

3.2.3.1 Staatsangehörigkeit des Russischen Reiches

Das Staatsangehörigkeitsrecht des zaristischen Russlands beruhte auf dem Justizgesetz vom 10. Februar 1864, wo es in den Paragraphen 836 bis 857 kodifiziert wurde. Das Gesetz gliederte sich inhaltlich in mehrere Teile.
  1. Die Staatsangehörigkeit wird als ein Verhältnis zwischen Personen und dem Staat beschrieben, das durch ein gegenseitiges Schutz- und Treueverhältnis definiert wird. In dem Gesetz werden Staatsangehörige auch synonym als Untertanen bezeichnet. Bei der Einbürgerung eines Ausländers war der Eintritt in die Staatsangehörigkeit von der Leistung eines Untertaneneides abhängig.
  2. Die Staatsangehörigkeit wurde nach territorialen, nationalen und rassischen Gesichtspunkten differenziert.
  3. Die russische Staatsangehörigkeit konnte durch Geburt, Einheiratung und Einbürgerung erlangt werden. Dem "ius sanguinis" entsprechend erlangten die ehelichen Kinder eines russischen Staatsangehörigen sie automatisch. Unehelich geborene Kinder erhielten die russische Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter eine Russin war.
  4. Die russische Staatsangehörigkeit konnte auch durch ein normales und ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren erlangt werden.
    Für eine Einbürgerung waren mehrere Voraussetzungen notwendig:

    • Der Ausländer musste die Absicht haben, seinen "beständigen Aufenthalt in den Grenzen des Kaiserreiches" zu nehmen (§ 836).
    • Diese Absicht musste er dem Gouverneur anzeigen, der ihm diese Anzeige bestätigte. Mit der Ausstellung dieser Bestätigung galt der Ausländer als eine in Russland angesiedelte Person, die aber weiterhin formal als Ausländer angesehen wurde (§ 837).
    • Nach einer fünfjährigen Frist konnte der Ausländer um die Aufnahme in die russische Staatsangehörigkeit bitten (§ 839).
    • Dem Gesuch um Einbürgerung war der Nachweis beizufügen, dass im Heimatland der Militärdienst bereits abgeleistet worden war, wenn dieser dort allgemein gefordert wurde. Man musste erklären, wo der bisherige Wohnort war und welchem Stand man beitreten wolle (§ 842).
    • Die Aufnahme in die Staatsangehörigkeit erfolgte per Eidesleistung (§ 846).
    • Die Ehefrauen wurden automatisch mit in die Staatsangehörigkeit aufgenommen, sie hatten keinen Eid abzulegen. Von der automatischen Miteinbürgerung waren alle Kinder ausgenommen, die vor dem Zeitpunkt der Einbürgerung geboren waren (§ 855).
Nach der Februarrevolution 1917 kam es zu einer Gleichstellung aller Staatsangehörigen, alle Sondergruppen wurden beseitigt.
 
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