Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil 1 1763 - 1820

3 Bedingungen für die Einwanderung

3.2.1 Vertragsformular

Der nachstehende Vertragsentwurf wurde von den angeworbenen Kolonisten durch ihre Unterschrift akzeptiert.

In dem Vertrag wurden alle Leistungen von russischer Seite und die daraus resultierenden Rechte und Verpflichtungen des Kolonisten fixiert.

Der Vertrag wurde formal zwischen dem Direktor (Directeur) Baron Caneau de Beauregard als dem Beauftragten Katharinas II. für die Besiedlung der Kolonie Cathrinen Lehn und dem Kolonisten abgeschlossen. Als Vertreter des Barons tritt der auch vom zweiten Direktor, Herr Otto Friedrich von Monjou, autorisierte Kommissar Johann Friedrich Wilhelm von Nolting zu Schloss Fauerbach, unweit Friedberg in der Wetterau, auf.
  1. Aus diesem Formular geht hervor, dass die Kolonisten bereits bei ihrer Ankunft in Russland gegenüber der russischen Regierung verschuldet waren. Diese Verschuldung wuchs durch die Gewährung eines Darlehens weiter an.

    1. Der Kolonist erhält für die Reise von ... bis nach Petersburg über Lübeck tgl. 15 Kreuzer, seine Frau 10, die mannbaren Kinder ebenfalls 10 und die unmündigen Kinder 6 Kreuzer tgl. Dieses Geld ist ebenso wie die Zahlungen, die der Kolonist, seine Erben oder Nachkommen nach seiner Ankunft erhält ("Vorschuß" in Geldern oder Sachen), nach Ablauf von zehn "Wohnungs-Jahren in Catharinen-Lehn" in den darauffolgenden drei Jahren zu je einem Drittel zurückzuzahlen. Zinsen werden nicht berechnet. Die Transportkosten von Petersburg bis zum Wohnort übernimmt die Krone.
    2. Für den Fall einer Ausreise aus Russland innerhalb der nächsten zehn Jahre sind nur die Transportkosten und der Reisezuschuss bis nach Petersburg zurückzuzahlen. Außerdem hat der Kolonist auf alle Güter, die er in den ersten fünf Jahren erworben hat, den fünften Pfennig abzugeben. Zieht er erst zwischen dem 6. und 10. Jahr ab, so ist der zehnte Pfennig fällig.
    3. Jeder Kolonist erhält bei Ankunft Geld für Anschaffungen (Vieh, Gerätschaften, Haus, Stall, Saatgut). Auch hier war er zur Zurückzahlung verpflichtet.
    4. Befreiung von allen Geldabgaben und Frondiensten gegenüber dem Russischen Reich für die nächsten 30 Jahre.
    5. Der Termin, an dem die Rückzahlung der Schulden beginnen sollte, wird festgelegt.
    6. Das Erbrecht wird genau definiert.
    7. Die Zollfreie Einfuhr von Waren bis zu einem Wert von 300 Rubeln war bei der Einreise gestattet.

  2. Die Verpflichtungen des russischen Staates gegenüber den Kolonisten werden ebenfalls angeführt.

    1. Religionsfreiheit.
    2. Bau von wohlbestellten öffentlichen Schulen für jede Religion.
    3. Medizinische Versorgung wird sichergestellt.
    4. Freijahre werden bestätigt.
    5. Die Möglichkeit zur Ausreise wird eingeräumt, wenn eine Reihe von Vorbedingungen erfüllt wurden.
  3. Der Kolonist erhält Land ("Äcker, Wiesen, Holzungen und dergleichen von der besten und fruchtbarsten Art, als zu der ganzen Familie Unterhalt und Gebrauch immer vonnöthen") zum erblichen Eigentum. Kommen bereits erwachsene Kinder mit, die eine eigene Familie gründen, so erhalten diese Land zu den gleichen Bedingungen.
  4. Der Kolonist verpflichtet sich im Gegenzug, sich während seines Aufenthaltes in Russland als treuer Untertan der Zarin zu benehmen, also sich deren "Landes-Gesetzen und Ordnungen auch denen in der Colonie errichteten Policey-Verfügungen ... behörig (zu) untergeben". Jährlich den Zehnten an den Leiter der Kolonie abzuführen, diesem alle landwirtschaftlichen Produkte, die er zu verkaufen gedenkt, zum Vorkauf anzubieten und den Preis dabei nicht höher zu veranschlagen als dies bei einem Dritten der Fall wäre.
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