Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil 1 1763 - 1820

2 Abwerbung

2.3.4.1 Verhältnisse im Siedlungsgebiet

Den Bewohnern des Dorfes Mettenheim in der Grafschaft Wartenberg wurde von der Kanzel unter anderem zugerufen:

  "Die Bekenner einer jeden Konfession sind willkommen. Der Ort ist am Wolgastrom gelegen im Königreich Astrachan bei der neuen deutschen Stadt Katharinenburg, die Gegend kommt derjenigen am Oberrhein gleich, was Mäßigkeit der Luft und Fruchtbarkeit des Erdreiches anbelangt, es sei reich an Wein, Getreide, Wiesenwachs, Holz und fischreichen Flüssen ... Wer bei uns nichts hat, kann dort glücklich werden. Alle diejenigen nun, welche Lust haben, sich obiger herrlicher Vorteile teilhaftig zu machen und sich in Russland niederlassen, wo bereits eine Kolonie von mehr als 1.000 deutschen Kolonisten befindlich ist, die können sich zu Worms anmelden, woselbst den 13. März 1766 Schiffe abgehen werden und wo ihnen das Tagegeld ausbezahlt wird."

Auch die Aussicht auf eine weite und kostenlose Reise sowie die Möglichkeit, fremde Völker kennen zu lernen, wurde als Lockmittel eingesetzt.

Ob der Brief, den ein aus Anhalt-Dessau ausgewanderter Bauer 1788 an seinen Heimatort schickte und in dem er über seine Situation in Russland berichtete, jemanden zur Auswanderung nach Russland bewegte, wissen wir nicht. Aber Eindruck wird die Schilderung seiner Arbeits- und Lebensverhältnisse gemacht haben – "... und habe Gott sey Danck Äcker, Wiesen-Pferde, Kühe und ander Vieh so viel, ja mehr als ich bestreiten kann, habe als noch nie über Mängel zu klagen gehabt, Kirche und Schulen haben wir auch".

Nicht nur die Aussicht auf ein besseres Leben veranlasste Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Es war zum Teil auch eine gehörige Portion Neugier und Abenteuerlust.

Diese Motive waren es wohl, die in dem Handwerksgesellen Christian Gottlob Züge link den Entschluss reifen ließen, Deutschland zu verlassen. Seine ursprüngliche Absicht, nach Amerika auszuwandern, um "von meinem Vaterland fern gelegene Gegenden der Welt zu beseh´n", änderte er kurzfristig. In Lübeck überredeten ihn "einige gut gekleidete Leute", mit ihnen nach Russland zu gehen, "denn dort hat jetzt die große Catharina, selbst Deutsche, allen ihren Landsleuten, welchen es daheim nicht gefällt, ein neues Paradies eröffnet. Dorthin geht man einem gewissen Glück entgegen, durchstreift bis an das Ziel der Reise einen nicht kleinen Theil der Welt, lernt Kosaken, Kalmücken, Morduinen, Tschuktschen und eine Menge anderer unbekannter Völker kennen und sieht unzählige Dinge, von welchen man hier zu Lande kaum einmal hat reden hören."
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