Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.17 SCHULPROJEKT

DES INSPEKTORS PLATZER VOM 1. JANUAR 1829
  "Der Eifer mit welchem ich immer unserem Huldreichen Monarchen und dem Staate nützlich zu sein wünsche, erschuf ich mir den Gedanken, der hießigen Jugend in Hinsicht ihrer Erziehung einen großen Vortheil zu verschaffen. Es wäre schon längst nöthig gewesen, der Jugend der Kolonisten die russische Sprache beizubringen. Denn was bedeutet ein Bürger im Staate, wenn er die Landessprache nicht versteht?... Haben wir nicht von ihren Wissenschaften schöpfen können, weil sie die russische Sprache nicht verstehen."

Nach dem derselbe noch verschiedene Gründe für die Gründung einer Kreisschule angeführt, gibt er seinen Plan deutlicher, wie folgt:
  1. "Ich bin also der Meinung, es sollte hier unter meiner Aufsicht eine öffentliche Kreisschule für die Kolonistenkinder errichtet werden, worin nicht nur die russische Sprache nebst der deutschen, sondern auch die nötigsten Wissenschaften für das gesellschaftliche Leben wie z. B. die Rechenkunst, die Weltgeschichte, die Erdbeschreibung unterrichtet, und alle diese Wissenschaften in der russichen Sprache vorgetragen werden, wozu ein russischer Lehrer angestellt wird. Die Schule soll im ersten Jahre, da die Schüler noch nicht russisch verstehen, nur eine Klasse haben, in welcher die Anfangsgründe der russischen Sprache vorgetragen werden. Im folgenden Jahre soll die Schule zwei Klassen haben. Die erste Klasse für die Anfänger, die zweite für die schon in der russischen Sprache Fortgeschrittenen.
  2. Im ersten Jahrgang, da der russische Lehrer nur eine Klasse zu besorgen hat, soll er den Unterricht vormittags, und der deutsche Lehrer den seinigen nachmittags haben. Im zweiten Jahrgang aber, wo es schon zwei Klassen geben soll, theilen diese beide Lehrer den Unterricht wechselweise unter sich ein.
  3. Damit diese hl. Pflicht stets in Erfüllung gebracht werde, muß diese Schule einen Aufseher haben, der nicht nur diese beiden Sprachen vollkommen versteht, sondern auch oben genannte Wissenschaften besitze, und überhaupt das Lehrfach gut verstehen muß, damit er jeden von Seite der Lehrer gemachten Fehler bemerke, und denselben zu verbessern im Stande sei.
  4. Der deutsche Lehrer behält seine gegenwärtige Gage, der russische aber bekommt 500 Rubel jährlich und Quartier; der Schulaufseher, der für das ganze Wohl der Schulanstalt verantworten muß, bekommt 600 Rubel.
  5. Um die Quelle des Unterhalts dieser Schule leicht zu finden, meine ich, daß jeder Vater, der wünscht, seinem Sohn eine gute Erziehung zu geben, und die russische Sprache gründlich zu erlernen, bezahlt jährlich 6 Rubel, und zwar für jedes Terzial voraus 2 Rubel. Und um dieser Anstalt einen bestimmten Fortgang zu geben, ist es erlaubt, auch Mädchen in diese Schule anzunehmen, jedoch aber nur diejenigen, welche noch nicht das 12-te Jahr ihres Alters erreicht haben.
  6. Dem Zufolge fordere ich jedes Gebietsamt auf, den gegenwärtigen Vortrag cirkulärmäßig allen Schulzenämter, mitzutheilen, und von denjenigen, die ihre Kinder in diese Kreisschule abzugeben wünschen, Unterschriften aufzunehmen, und dabei zu melden, daß wer sich einmal durch Unterschrift verpflichtet hat, seinen Sohn oder Tochter in diese Schule abzugeben, nicht das Recht hat, vor Ende des dreijährigen Schulkurses dieselben weg zu nehmen.
  7. Sollte es sich aber bei Eröffnung dieser Schule, oder mit der Zeit der Fall ereignen, daß sich mehr Subskribenten melden, als für die genannte Gage des russischen Lehrers und des Schulaufsehers samt den Schulkosten nöthig wäre, so kann noch ein dritter Lehrer, nämlich für die französische Sprache und die Zeichenkunst angenommen werde.
  8. Da das gegenwärtige Schulhaus, das sich in Großliebenthal befindet, hinlänglich geräumig ist, so kann diese Schulanstalt in demselben ohne Zweifel ausgeführt werden.
  9. Die Schule hängt vermittelst des Schulaufsehers vom Comptoir, und dann von seiner Sr. Hohen Excellenz, dem Herrn Hauptfürsorger ab. Die Lehrer, die da angestellt werden, haben ihre Attestate über ihre Kenntnisse und Rechte, als öffentliche Lehrer angestellt zu werden, dem Schulaufseher vorzuzeigen, welcher dieselben mit einer von ihnen eingerichteten Bittschrift dem Comptoir vorstellt, um dieselben dem Herrn Hauptfürsorger zu unterlegen."
Nun folgen noch einige Punkte von weniger Bedeutung. Auch sollte zwei Religionslehrer, ein katholischer und ein lutherischer angestellt werden. Ebenso war es gestattet, Kinder von anderen Gebietsämter in diese Schule aufzunehmen.

Im Original ist unterschrieben: Titularrath Platzer.
Großliebenthal im Mai 1829.

(Dieses Schulprojekt wurde an alle Kolonistengemeinden zur Einsicht übersandt, aber die Kolonisten wollten keine solche Schule, und deshalb musste der edle Mann sein gutgemeintes Vorhaben aufgeben.)

Aus: Konrad Keller, Die Deutschen Kolonien in Südrußland, hrsg. v. Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V., Nürnberg, München 2000, Seite 104 – 106.

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