Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.13 Aus dem Alltagsleben

4. Febr. 1820

Das Gebietsamt hat in Erfahrung gebracht, daß die Kleinliebenthaler sich ganze Nächte hindurch in der Schenke mit Saufen beschäftigten und die Polizeistunde (10 Uhr nachts) nicht einhalten. Es wird befohlen, alle Abende die gehörige Polizeistunde zu beobachten, den Schenkern anzubefehlen, daß sie nach 10 Uhr keine Getränke mehr verkaufen, und ein schriftlichen Verbindniß dem Schenker mit dessen Unterschrift abnehmen und dem Gebietsamt einsenden.

Wie oben Verbindungsschrift des Schenkers von Kleinliebenthal.
"Ich Endesunterschriebener Kl. Schenker bekenne hiermit, daß mir der Befehl eines Wohllöb. Gebietsamtes in Betreff der Polizeiordnung deutlich erklärt und bekannt gemacht worden ist, mache mich daher auch verbindlich denselben in keinem Falle zu übertreten und verspreche von neuem keine Getränke Nachts nach 10 Uhr mehr auszuschenken, oder Personen hiesigen Orts nach obgedachter Zeit in der Schenke zu dulden, im Uebertretungsfalle unterwerfe ich mit aller Strenge des Gesetzes, welches ich mit meiner Namensunterschrift bekräftige.
Mendel Kreschnobalsky, Schenker"

1838

War wieder starkes Erdbeben, das aber keinen besonderen Schaden verursachte.

Januar 1842

Die ledigen Burschen J. Kirchgäßner und J. Konnanz sind wegen unerlaubtem Schießen in der Neujahrsnacht um 1 Rbl. 42 Kop bestraft worden

April 1842

Der Kolonist Johann M. ist für Sauferei und Schlägerei mit 15 Ruthenhieben bestraft worden. Dessen zwei jüngere ledige Brüder bekam jeder 10 Ruthen (Ein hübsches Kleeblatt)!

Juli 1842

Der S. Dieringer ist wegen unerlaubtem Tabakrauchen auf der Straße um 5 Kop. Silb. gestraft worden.

22. Juli 1842

Ist die Ehefrau von Joseph M., namens J. wegen boshafter und ungegründeter Beschuldigung ihrer Nebenmenschen, und angestellter Ehrenverletzung nach gemachter gerichtlicher Untersuchung durch das Gebietsamt in Gemeinschaft mit dem Schulzenamt und zehn Männern aus der Gemeinde mit zehn Ruthenhieben bestraft worden.

22. Juli 1842

Ist der Michael M. wegen ungebührlichem Betragen und Schimpfen vor dem Pfarrhause mit zehn Ruthenhieben bestraft worden.

Nov. 1842

Werden die Frauen Katharina D., Karolina R., Maria S., Magdalena G. wegen Streit und Schimpferei die drei ersten um 30 Kop., die letztere um 15 Kop. gestraft.

Januar 1843

Der Joseph W. wird wegen Herumtreiben und Verschwendung mit 10 Ruthenhieben bestraft.

März 1843

Wird der ledige Martin S. wegen Schlägerei mit 15 Ruthenhieben bestraft.

15. April 1843

Der ledige Wendelin. E. ist für Anstiftung eines Streites auf der Wolfsjagd, und Vergreifen am Franzfelder Schulzen Merdian und Beleidigung des Josephstaler Schulzen Scherer und des Mitglieds des ökonomischen Vereins Amon mit 20 Ruthenhieben bestraft worden.

26 Mai

Der Andreas A. wurde, weil er auf den Ostermontag Musik und Tanz in seinem Hause gehalten, wobei Unfug und Schlägerei entstanden, mit 15 Ruthenhieben bestraft.

Nov. 1844

Im November ging das Schulzenamt im Dorf herum, ob alles in gehöriger Ordnung ist. Da wurden dann 35 Wirthe wegen mangelhafter Ordnung in ihrer Wirtschaft gestraft. Ich gebe davon nur einige Namen:

Joseph Bienfait, welcher eine schlechte Hofmauer und keine Bäume im Hof hat, wird gestraft 10 Faden mal 10 Faden zu roden*).
St. Wolf hat einen schlechten Kamin wird gestraft 5 Faden mal 5 Faden zu roden.
G. Bürk hat eine schlechte Hofmauer wird gestraft 5 Faden mal 5 Faden zu roden.
S. Stein hat nur eine halbe Hofmauer, wird gestraft 3 Faden mal 3 Faden zu roden.
G. Fischer hat ein schlechtes Dach, keine Hofmauer und Bäume, wird gestraft 12 Faden mal 12 Faden zu roden.
A. Sahly hat keine Gartenmauer, wird gestraft 5 Faden mal 5 Faden zu roden.

Mai 1845

Der ledige Michael O. wird, weil er seine Eltern gröblich beleidigte, verspottete und von Hause entlief, vom Gebietsamt mit 50 Ruthenhieben bestraft. Dessen 2 ledige Schwestern Elisabetha und Mariana wurden wegen derselben Ursache jede mit 10 Ruthenhieben bestraft.

*) Das Roden wurde gewöhnlich im Walde geübt.

Begebenheiten und Zustände aus der Vorzeit der Kolonie Marienthal am Baraboi. 2. Sept. 1821

Der Oberrichter kam nach Marienthal, das Schulzeramt rapportiert demselben, das Alles in Ordnung sei. Aber nachdem er alles in Augenschein genommen, fand er vieles nicht in Ordnung und gab den 6-ten September d. J. folgenden Befehl:

"Zu meinem großten Mißvergnügen habe ich bei Bereisung der Kolonie Marienthal wahrgenommen, daß die Kolonisten die schon oft ergangenen obrigkeitlichen Befehle gar nicht befolgen, indem ich daselbst fand, daß die Straßen- oder Hofmauern nicht in gehörigen Stand gesetzt worden sind, die Gärten nur mit Mist und Rohr umzäunt habe, und sich überhaupt nicht befleißigen Weinreben und Obstbäume anzulegen, ebenso wenig auf ihren eigenen Nutzen sehen, um sich Schafe und Bienen anzuschaffen, dem zufolge befehle ich abermals und zwar zu letzten Male, daß unfehlbar bis zu 1. Oktober d. J. alle schon von mir so oft vorgeschriebenen Punkt der »Instruktion« in Ausführung gebracht werden. Im Falle sich aber auch diesmal wieder nachlässige Wirthe durch Faulheit und Richtbefolgung der obrigkeitlichen Befehle auszeichnen, so werden solche Müßiggänger und Ungehorsamen, nach Abnahme ihrer Wirtschaft, ohne Schonung auf Kronsarbeit, oder gar über die Grenze geschickt werden. Sollte sich aber das Schulzenamt saumselig finden lassen, so wird solches unter Gericht gestellt werden. Hiermit kann ich nicht unterlassen, dem Amte nochmals meine völlige Unzufriedenheit zu bezeugen, indem ich zu meiner Verwunderung bemerkte, daß leider auf meinen ertheilten Befehl, die verordneten Instrumente zur Löschung der Feuersbrunst noch nicht angeschafft sind, und befehle auf das Strengste, sogleich dazu zu schreiten, daß solche angeschafft werden. Ferner befehle ich, daß die Kirche mit einer Mauer umgeben, und über den Teich eine Brücke gemacht werde, wobei die ganze Gemeinde Hilfe leisten muß."
Verwalter von Lau

22. Sept. 1821

Befehl an das Schulzenamt von Marienthal:

"Der Herr Oberrichter von Lau haben dem Amte zum Nachtrag seiner schon oft gegebenen Befehlen in Betreff der liederlichen Kolonisten, welche seit 16 – 18 Jahre die Zeit nur mit Saufen zugebracht haben, welches doch einmal unter der deutschen Nation ausgerottet werden muß, vom 19 d. M. unter ? 179 zu befehlen geruht, den Schulzenämtern vorzuschreiben, daß sie besonders auf solche, die am meisten das aus ihren in Odessa verkauften Produkten erlößte Geld versaufen, wodurch mancher nicht nur um sein ganzes Vermögen gekommen, ja, sogar auch seinen schändlichen Tod geholt hat, ein besonderes Augenmerk zu richten, und allen zu Warnung bekannt zu machen, daß von nun an die höhere Obrigkeit der Odessaischen Stadtpolizei Maßregel getroffen, daß die Kolonisten, die sich in Weinkellern aufhalten, aus solchen herausgetrieben und in das Gefängnißloch gebracht werden sollen. Dem Schulzenamt wird daher befohlen, solches allen und jedem bekannt zu machen, und wenn sich, wie nicht zu zweifeln ist, solche Trunkenbolde in der Kolonie befinden, sind sie vermittelst Rapport dem (Gebiets) Amte anzuzeigen"
Oberschulz Precht

Die Feier des 100jährigen Bestehens der Beresaner Kolonien den 30. September 1910 in der Kolonie Landau

Der Wortlaut des Telegramms ist folgender:
30. 9. 1910 An den Herrn Minister des Innern
"Ich bitte Ew. Hohe Exzellenz, folgende einmütigen Gefühle treuer Untertanen zu den Stufen des Thrones Seiner Majestät unterbreiten zu wollen: Ew. Kaiserliche Majestät! Wir Deutschen in Südrußland, versammelt zur Feier des 100sten Jahres unserer Übersiedelung aus Deutschland und erfüllt von tiefer Ergebenheit zu unserem russischen Vaterland, bitten den Allerhöchsten, er möge auf viele Jahre hinaus, die uns so teure Gesundheit Ew. Majestät erhalten. Alleruntertänigst bitten wir, Herr und Kaiser! uns glauben zu wollen, daß wir überall und allezeit bereit sind, mit unserer Brust die Macht Deines Thrones zu schützen, und es als unsere heilige Pflicht erachten, unserem innigstgeliebten Kaiser und unserem großen Vaterland dankbar zu sein."
Im Namen der Versammelten, Reichsdumamitglied W. G. Lutz.

alles in: Konrad Keller, Die deutschen Kolonien in Südrußland, Neuauflage hrsg.v. Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V., Stuttgart 2000

Startseite  |   zurück   |   Inhalt   |   nach oben