Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.16 Kolonien und der Türkenkrieg

Nachrichten über die Leistungen der deutschen Kolonisten in Südrußland in dem russisch-türkischen Kriege von 1828.

In einem Manifest vom 14. April 1828 erklärte Zar Nikolaus I. der Türkei den Krieg. Um dem nach Süden vorrückenden Heer von ca. 130.000 Mann die notwendige Unterstützung leisten zu können, wies das Tutelkontor alle Kolonisten in Südrussland an, eine bestimmte Anzahl von Fuhrwerken in Bereitschaft zu halten, um Transportaufgaben übernehmen zu können.

Dieser Vorsorge entsprach der nachstehende Beschluss der Schulzen aus dem Liebenthaler Gebiet vom 10. Februar 1828, der in Vorbereitung auf die zu erwarteten militärischen Aktionen gefasst worden war:

  "Jeder Wirth muß sich mit einer möglichen Menge Hafer und Gerste versehen, und nicht weniger als ein Tschetwert von einer dieser Arten haben. 2, Zweispännige Pferdefuhren müssen im Liebenthaler Gebiet 18 gestellt werden, welche bei der ersten Forderung bereit sein müssen. Betreffend die Pferde und Wagen wird Folgendes verlangt: Die Pferde müssen ohne Unterschied der Farbe gewöhnliche Bauernpferde dieser Gegend sein, von starker Konstitution, auf den Vorderfüßen beschlagen, gut bei Leibe, nicht blind, oder ähnliche Fehler und Gebrechen habend, nicht jünger als vier und nicht älter als acht Jahre, an Wuchs 2 Arschin, auch einige Werschock weniger, Kumute und Zäume müssen stark von rohgarem Leder, und mit reinem Theer geschmiert sein; die Leinen, Seitenstränge und übrigen Stricke müssen von dieser Gegend sein, stark und zum Aufladen für 35 Pud auf eine lange Reise tauglich sein. Zu einem jeden Wagen ist eine große, oder zwei kleine rohgare Lederhäute zum Zudecken des Proviants beizugeben. Die beiden Achsen an den wagen müssen mit Legeisen, und die Naben an allen vier Rädern mit Eisen beschlagen sein. Der Preis für jedes Pferd ist zu 70 Rubel, das Angespann eines jeden Pferdes zu 5 Rbl., die Haut zum Decken zu 8 Rbl., der zweispännige Wagen, eine Schmierlägel und allem dazu Gehörigen ist auf 20 Rbl. bestimmt. Zu jedem Wagen ist ein Fuhrmann festgesetzt, welcher von gesunder Leibeskonstitution, aber verschiedenen Wuchses, nicht jünger als 25 Jahre und nicht älter als 45 Jahre alt sein darf. Jedem Fuhrmann ist bei Abfertigung von der Gemeinde ein Halbpelz ein Mantel, eine Mütze, eine Gerte, drei Hemde, zwei Paar Stiefel mitzugeben. Alle diese Kleidungstücke müssen neu sein. Auch muß jeder Fuhrmann auf 15 Tage mit Proviant versehen werden. Wenn die Fuhren bis zum bestimmten Ort, ohne Proviant aufgeladen zu haben, fahren, so sind die Gemeinden schuldig, auf jede Fuhre zur Fütterung der Pferde 20 Pud Heu unentgeldlich zu stellen.

S. Majestät der Kaiser haben die Vorstellung des Ministers wegen Theilname der deutschen Kolonisten zur allgemeinen Hülfe bei möglichst vorkommenden Nothwendigkeiten im Falle der Truppenbewegung bestätigt und zu befehlen geruht:
  1. Daß das Eintreiben von den Kolonisten nicht anders, als unter der einzigen Aufsicht ihrer Kolonialobrigkeit geschehen soll.
  2. Daß Quittungen für genommenen Vorrath und Fuhren ihnen durch ihre Obrigkeit ausgegeben werden.
  3. Die Kolonisten zu versichern, daß für die bei ihnen genommen Fuhren, die Krone ihnen dieses als Abgaben verrechnet, und zwar nach solchen Preisen, wie es die Regierung bestimmen wird
  4. Daß dabei alle Bedrückungen und Beleidigungen der Kolonisten bei strenger und unausbleiblicher Strafe der Schuldigen vermieden werden soll. Die 18 Fuhren, welche das Liebenthaler Gebiet stellen mußte, wurden folgendermaßen vertheilt. Großliebenthal mit 167 Wirthen stellte 4½ Fuhren, Kleinliebenthal mit 82 Wirthen 2 Fuhren, Alexanderhilf mit 62 Wirthen 1½ Fuhren, Neuburg mit 60 Wirthen 1½ Fuhren, Marientahl mit 60 Wirthen 1½ Fuhren, Josephsthal mit 68 Wirthen 1¾ Fuhren, Petersthal mit 61 Wirthen 1½ Fuhren, Freudenthal mit 78 Wirthen 2 Fuhren, Franzfeld mit 43 Wirthen 1 Fuhre und Lustdorf mit 40 Wirthen 1 Fuhre. Den Schulzenämtern wurde vorgeschrieben: auf das eiligste Anstalt zur Stellung der Fuhren und Bereithaltung des Proviantes zu treffen, damit wenn es verlangt wird, alles in Bereitschaft sei. Den 20 Februar 1828 mußten alle Fuhren reisefertig in Großliebenthal zur Musterung erscheinen. Die Kolonie Kleinliebenthal verausgabte für ihre 2 Fuhren 485 Rbl. 90 Kop. *)"
*) Nach dem Akten der G. Kleinliebenthal 1828 Nr. 16.

Aus: Konrad Keller, Die Deutschen Kolonien in Südrußland, Neuausgabe hrsg. v. Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V., Stuttgart, München 2000, Seite 129 – 130

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