Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.30 DEPORTATION 1915

28. Juni 1915 wurden die Kolonisten des Kreises Nowograd-Wolynsk mit folgender Bekanntmachungen konfrontiert:

   "Alle Deutschen, Kolonisten, Nichtorthodoxen des Kreises Nowograd-Wolynsk, die nicht in geschlossenen Ortschaften leben, unterliegen der Aussiedlung. Sie haben bis zum 10. Juli des Jahres Zeit, ihren Landbesitz aufzulösen. An ihren Wohnorten können verbleiben: Frauen der Kolonisten, die sich in unserem aktiven Heer befinden, ihre Kinder, Mütter und Familienoberhäupter. Auszusiedelnde dürfen ihre Besitztümer mit sich nehmen. In den deutschen Siedlungen werden vorübergehend Flüchtlinge aus Galizien einquartiert, denen entsprechende Gebäude zur Verfügung gestellt werden. Sie werden auch mit der Einbringung der Ernte sowie der Aufsicht über den Besitz der Auszusiedelnden beauftragt, der aus irgendwelchen Gründen am Orte zurückgelassen werden muß. Für Gewaltakte, die die Kolonisten an den Flüchtlingen verüben, wird der Schuldige dem Kriegsgericht überstellt. Für die Ausführung dieses Aussiedlungsbefehls ... werden Bürgen für die Kolonisten einstehen. Die Bürgen werden für alle ordnungswidrigen Handlungen ihrer kolonistischen Glaubensgenossen bis hin zur Todesstrafe verantwortlich gemacht und bis zur Beendigung der Aussiedlung in Gewahrsam gehalten. Die gesamte Bevölkerung des Kreises wird gewarnt, daß diejenigen, die sich durch eine ungesetzliche Benutzung eines von den auszusiedelnden Kolonisten vorübergehend zurückgelassenen Gegenstandes schuldig machen, in Übereinstimmung mit den Kriegsgesetzen den strengsten Strafen unterzogen werden."

Bis zum 20. Juli 1915 wurde die ländliche deutsche Bevölkerung (ca. 70.000 Personen) des gesamten Gouvernements Wolhynien ausgesiedelt. Die evakuierten Bauern hinterließen eine Landfläche von etwa 72 000 Desjatinen.

Nach Angaben des Vorsitzenden des Ministerrates in der Sitzung der Staatsduma vom 30. März 1916 wurde diese Landfläche wie folgt aufgeteilt:
Etwa 50 000 Desjatinen Land wurden 200 000 Flüchtlingen aus Ostgalizien überlassen, die vor dem deutschen Vormarsch nach Osten geflohen waren; weitere 10 000 Desjatinen Land wurden der örtlichen bäuerlichen Bevölkerung auf der Basis kurzfristiger Pachtverträge zugeteilt, und 12 000 Desjatinen wurden vorübergehend zu gemeinsamen Weideland erklärt.

Aus: Ingeborg Fleischhauer, Die Deutschen im Zarenreich. Zwei Jahrhunderte deutsch - russische Kulturgemeinschaft, Stuttgart 1991, S. 508

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