Geschichte der Russlanddeutschen

8 Kulturarchiv

8.2.1 Quellen

8.2.1.32 Auf dem Weg zur Wolgarepublik

8.2.1.32.4 DEKRET DES RATS DER VOLKSKOMMISSARE ÜBER BILDUNG DES GEBIETS DER WOLGADEUTSCHEN

Mit dem Ziel, den Kampf für die soziale Befreiung der deutschen Arbeiter und der deutschen Dorfarmut des Wolgagebiets zu verstärken und dabei die Grundsätze zu entwickeln, die dem am 29. Mai d. J. bestätigten Statut des Kommissariats für deutsche Angelegenheit zugrunde liegen, sowie den Beschluß des Rats der Volkskommissare vom 26. Juli d. J. weiterführen und zugleich in Übereinstimmung mit den einmütig geäußerten Wünschen des I. Sowjetkongresses der deutschen Kolonien des Wolgagebiets beschließt der Rat der Volkskommissare:

1. Die Ortschaften, die von den deutschen Kolonisten des Wolgagebietes besiedelt werden und sich gemäß Statut des Kommissariats des Wolgagebiets in Kreisdeputiertensowjets hrausgelöst haben, bilden in Anwendung des Artikel 11 des Grundgesetzes der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik eine Gebietsvereinigung mit dem Charakter einer Arbeitskommune, in deren Bestand die entsprechenden Teile der Territorien der Kreise Kamyschin und Atkarsk des Gouvernements Saratow und der Kreise Nowousensk und Nikolajewsk des Gouvernements Samara eingegliedert werden.

2. Alle Fragen, die sich aus der Bildung der neuen territorialen Vereinigung mit deutscher Bevölkerung ergeben, sind ordnungsgemäß zu lösen, wobei das Kommissariat für deutsche Angelegenheiten des Wolgagebiets sowie die Gouvernementsdeputiertensowjets von Samara und Saratow verpflichtet werden, unverzüglich eine Liquidationskommission zu wählen, um diese Vereinigung in kürzester Zeit auszugestalten.

3. In genauer Übereinstimmung mit Artikel 11 des Grundgesetzes wählt der Kongreß der Deputiertensowjets des ausgegliederten Territoriums mit deutscher Bevölkerung ein Exekutivkomitee, das Zentrum der sozialistischen Sowjetarbeit unter der werktätigen deutschen Bevölkerung ist, die richtige Durchführung der Dekrete und Verfügungen der Sowjetmacht überwacht und diesbezüglich der erforderlichen Anordnungen an die Orte erteilt.

4. Alle Macht an den Orten innerhalb der Grenzen, die durch Artikel 61 des Grundgesetzes in dem gemäß Punkt 1 vereinigten Territorium bezeichnet sind, liegt beim Exekutivkomitee, das der Kongreß der Deputiertensowjets der deutschen Arbeiter und deutschen Bauern.

5. Alle Maßnahmen der Sowjetmacht, die auf die Verwirklichung der Diktatur des Proletariats und der Dorfarmut sowie auf die Umgestaltung des gesamten politischen und wirtschaftlichen Lebens auf sozialistischer Grundlage gerichtet sind, werden in dem oben genannten, von deutschen Kolonisten bewohnten Gebiet durch das Exekutivkomitee der Deputiertensowjets der deutschen Kolonien des Wolgagebietes durchgeführt.

6. Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Exekutivkomitee der Deputiertensowjets der deutschen Kolonien des Wolgagebiets und den Gouvernementsdeputiertensowjets sind dem Rat der Volkskommissare und dem Zentralexekutivkomitee zur Klärung zu unterbreiten.

7. Das kulturelle Leben der deutschen Kolonisten: der Gebrauch ihrer Muttersprche in den Schulen, in der örtlichen Verwaltung, im Gericht und im öffentlichen Leben unterliegt gemäß der Sowjetverfassung keinerlei Einschränkung.

Der Rat der Volkskommissare bringt seine Gewißheit zum Ausruck, daß bei Verwirklichung dieser Grundsätze der Kampf für die soziale Befreiung der deutschen Arbeiter und der deutschen Dorfarmut im Wolgagebiet keinen nationalen Hader hervorrufen, sondern, im Gegenteil, die Annäherung der deutschen und der russischen werktätigen Massen fördern wird, deren Zusammenschluß das Unterpfand für ihren Sieg und für Erfolge in der internationalen proletarischen Revolution ist.

Der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare, W. Uljanow (Lenin)
Der Sekretär des Rats der Volkskommissare, L. Fotijewa

Moskau, Kreml, 19. Oktober 1918

Zit. nach: Dekrety Sovetskoj vlasti, Bd. III, Moskau 1964, S. 438-439

Startseite  |   zurück   |   Inhalt   |   nach oben