Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

3 "Deutsche Frage" und Lösungswege

3.5 Ausbruch des Ersten Weltkrieges

3.5.4 Liquidationsgesetze

3.5.4.2 Aussetzung der Liquidationsgesetze

Praktische Überlegungen verhinderten 1916 eine radikale Anwendung der Liquidationsgesetze in Südrussland. Die Semstwoversammlung auf der Krim wies bereits im Januar auf die katastrophalen Folgen für die Ernte hin, die eine Anwendung dieser Gesetze zur Folge haben würde. Auch in der Duma, im Staatsrat und anderen Regierungskreisen wurden negative Auswirkungen auf die Ernte und daraus resultierende Versorgungsprobleme befürchtet.

Das Mitglied des Staatsrates Fürst N. B. Schtscherbatow richtete eine Anfrage an Landwirtschaftsminister A. N. Naumow, welche Maßnahmen er zur Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Produktionsniveaus in den Kriegsjahren zu ergreifen beabsichtige. Diese Anfrage enthielt neben anderen kritischen Anmerkungen auch eine Warnung vor der Durchführung der Enteignungspolitik. So lautete Absatz VII der Anfrage:

  "Die gegenwärtig mit dem Ziele des Kampfes gegen die deutsche Übermacht anlaufende Liquidierung des kolonistischen Landbesitzes birgt ... die Gefahr in sich, daß in diesem Jahre bedeutende Landflächen unbestellt und unbearbeitet bleiben. Die Verwandlung von mehr als 100.000 getreideproduzierenden Personen in Getreidekonsumenten ist eine Tatsache, die ernste Aufmerksamkeit verdient. Unerwünscht wäre eine Liquidierung aller Getreidemühlen in den Dorfbezirken des südlichen Rußland, die eine Produktionskapazität von einigen Millionen Pud per annum besitzen, sowie die Schließung landwirtschaftlicher Maschinenfabriken, die für die Verteidigung arbeiten und eine Jahresproduktivität von mehr als 23 Millionen Rubel besitzen."

Man entschloss sich deshalb im März 1916 dazu, die Anwendung der Liquidationsgesetze zunächst bis zum Winter 1916 auszusetzen.
 
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