Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil II 1820 - 1917

5 Rolle der Schule

5.9 Semstwo-Schule

Die erste Semstwo-Schule wurde 1866 in der Kolonie Pfannenstiel im Wolgagebiet gegründet. Die Schüler wurden dort sowohl von russischen als auch von deutschen Lehrern unterrichtet.

In ganz Russland entstanden bis 1917 rund 30.000 derartiger Schulen, an denen fast zwei Millionen Kinder eine dreijährige Schulbildung erhielten. Die Semstwo-Schulen, die einen völlig neuartigen Schultyp in Russland darstellten, galten im ganzen Land als die besten Volksschulen.

In den Wolgakolonien machten die Semstwo-Schulen nach einer Erhebung aus dem Jahr 1909 etwa ein Drittel aller Volksschulen aus.

Diese beträchtliche Akzeptanz unter den Kolonisten ist vor allem auf die höhere Qualität des Unterrichts zurückzuführen. Im Vergleich zu den Dorf- bzw. Kirchenschulen war die Zahl der Fächer – unter anderen Geographie, Geschichte, Russisch, Mathematik und Deutsch – größer und die Qualifikation der Lehrer höher.

Diese Vorzüge ließen die Tatsache, dass der Unterricht in russischer Sprache abgehalten wurde, in den Hintergrund treten. Für viele Kolonisten war entscheidender, dass ihre Kinder eine solche Ausbildung erhielten, die ihnen Aufstiegschancen in Wirtschaft und Gesellschaft eröffneten.

Die Erkenntnis, dass eine gute Schulbildung gepaart mit Russischkenntnissen für die Zukunft ihrer Kinder immer wichtiger wurde, bewog 1911 mehrere Gemeinden im Gebiet Eugenfeld-Prischib, sich als Standort für eine geplante Zentralschule zu bewerben.

Als Begründung wurde angegeben, dass die Kolonisten erkannt hätten, dass nicht alle ihre Söhne angesichts der Bodenpreise als Bauern ihren Lebensunterhalt verdienen und durch die zunehmende Konkurrenz durch Fabrikanten auch als einfache Handwerker kein Auskommen mehr finden könnten. Unter diesen Umständen wurde Bildung immer wichtiger, sie war gleichsam Startkapital und Grundlage für den Lebensunterhalt.
 
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