Armut im Sinne von Besitzlosigkeit und Bedürftigkeit ist ein Phänomen, das aus allen historischen Epochen bekannt ist.
- Armut als Massenerscheinung, die Verarmung und Verelendung breiter Bevölkerungsschichten trat seit dem Ende des Mittelalters immer stärker in Erscheinung. Das Armenproblem wurde fortwährend drückender und die Einrichtungen, die für dessen Milderung geschaffen wurden, gelangten schon während des ausgehenden 16. Jahrhunderts an ihre Grenzen. Dies traf auch für die so genannte "offene Armenfürsorge" (Arme erhielten eine wöchentliche Unterstützung in Form von Geld oder Naturalien) zu, so dass Armen an bestimmten Tagen offiziell das Betteln zur Existenzsicherung erlaubt werden musste.
- Die steigende Zahl der Armen machte sich auch in einer veränderten Haltung der Gesellschaft gegenüber diesen Menschen bemerkbar. Es kam zu einer immer schärferen Verfolgung und Vertreibung "fremder Armer" und arbeitsunwilliger Personen.
- Unterstützung sollten nur noch die offiziell als arm anerkannten Personen, die "eingeschriebenen Armen", und die so genannten "verschämten Armen" oder "Hausarmen" erhalten. Den "eingeschriebenen Armen" war es übrigens nicht erlaubt, ein Wirtshaus zu betreten. Um die Einhaltung dieses Verbotes überprüfen zu können, mussten die Betreffenden ein Zeichen an ihrer Kleidung tragen.
- Die massenhafte Verarmung und Verelendung seit Mitte des 18. Jahrhunderts wird als Pauperismus bezeichnet.
Die Zahl der umherziehenden Bettler, Vaganten (umherziehende Spielmänner), Kriegsinvaliden und Alten wuchs sehr stark an. Immer mehr Menschen waren auf staatlich, kommunal, kirchlich oder privat organisierte
Armenhilfe angewiesen. Im gleichen Maße nahm auch deren Verfolgung zu, wuchs die Zahl der
Armenhäuser und
Arbeits-, Werk- und Zuchthäuser , in denen sie untergebracht wurden.
Dem Bevölkerungswachstum stand eine unzureichende Anzahl von wenigstens das Existenzminimum garantierenden Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten gegenüber, denn:
- Zusätzliche Bauernhöfe waren kaum noch zu schaffen, da der Boden zu knapp war.
- Die Zahl der Kleinbauern wuchs, die sich nicht mehr allein von ihrer landwirtschaftlichen Arbeit ernähren konnten. Am Ende des 18. Jahrhunderts waren davon ca. zwei Drittel der ländlichen Bevölkerung betroffen.
- Zur Existenzsicherung waren zusätzliche handwerkliche Tätigkeiten als Nebenerwerbsmöglichkeit erforderlich. Sie fanden aber nicht die entsprechende Nachfrage nach ihren Gütern und Leistungen.
- Durch das sich ausdehnende ländliche und städtische Exportgewerbe konnten zwar Arbeitsplätze geschaffen werden, aber ihre Zahl reichte nicht, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten.
Die Situation der unteren Bevölkerungsschichten verschärfte sich noch durch steigende Nahrungsmittelpreise, die somit zu steigenden Lebenshaltungskosten führten.
Für verarmte oder von Verarmung bedrohte Menschen bot sich die Auswanderung als Ausweg an. In dieser Situation fiel das Angebot der russischen Zarin Katharina II. noch unerschlossenes Land in Russland ausländischen Siedlern zur Verfügung zu stellen, auf fruchtbaren Boden.
Neben Nordamerika wurde Osteuropa ein bevorzugtes Auswanderungsziel. Nach Russland zogen im 18. Jahrhundert fast 100.000 Menschen.