Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil I 1763 - 1820

1 Gründe für die Auswanderung

1.4 Auswanderung als Ausweg

1.4.2.1 Dominoeffekt

Die Kolonnen von Ausreisewilligen, die zu den Sammelpunkten zogen, bewirkten, dass sich viele Leute, die zuvor keinerlei Kenntnis von der Ausreise hatten, spontan den Trecks anschlossen.

Einen Eindruck von dieser "Sogwirkung", den durchziehende Kolonistentransporte auf die örtliche Bevölkerung in den deutschen Kleinstaaten ausübten, vermittelt ein Auszug aus dem Kirchenbuch von Stockhausen bei Gießen. Den Transporten schlossen sich 46 Einwohner an. Im Kirchenbuch heißt es dazu:
  "Wofern nicht ein herrschaftliches Verbot Einhalt gegeben, so wäre, aus eitler Träumerei nach einem gelobten Land, wohl das halbe Dorf entvölkert worden."

Ein weiteres Beispiel für den Dominoeffekt liefert der Bericht von Oberpfarrer Boeckner aus Schlitz, nördlich von Fulda, in dem er über den Durchzug eines Transportes von Aussiedlern 1766 schrieb:
  "Heute den 13.Mai 1766 ist der erste Transport Leute durch Slitz gezogen. Es liefen auch Bauern aus dem Schlitzer Land heimlich fort und ließen ihre Güter stehen und gaben vor, ihre Obrigkeit sei zu streng und die Arbeit sei zu viel." Der Oberpfarrer berichtet von sieben Transporten, die durch den Ort zogen, jeder mit etwa 500 Personen.

Aus Roßlau schlossen sich junge und bis dahin ledige Frauen den Transporten an. Durch öffentliche Aushänge wurden sie aufgefordert, Auswanderer zu heiraten.

  "Zu Roßlau bey Dessau im Schwarzen Bären werden sie Verpflegung erhalten, auch wird alles bestens gesorgt werden. Nehmlich der Gastwirth Hoffmann bezahlet jedem Manne täglich vier Groschen sechs Pfennige, dabey frey Quartier und Transport, ingleichen werden ledige Frauenspersonen zur Verheuratung verlanget und angenommen, es muß sich aber ein jedes bald möglichst daselbst einfinden, weil der Commissarius binnen 4 Wochen nach Sankt Petersburg abgehet."
 
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