Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil I 1763 - 1820

1 Gründe für die Auswanderung

1.1 wirtschaftliche Auswanderungsgründe

1.1.3 Belastungen und Leistungen

Die Belastungen eines Hofes, die sich aus Abgaben und Leistungen für den Staat und den Grundherren zusammensetzten, überstiegen oft die Einkünfte. Der Erlös, der aus dem Verkauf pflanzlicher Produkte erzielt wurde, stellte die bedeutendste Einnahmequelle dar. Um alle Abgabenforderungen erfüllen zu können, musste auch ein Teil der Erlöse aus der Tierzucht dafür verwendet werden. Das bäuerliche Gesamteinkommen wurde also auch von dieser Seite her geschmälert.

Je kleiner ein bäuerlicher Hof war, um so höher war die proportionale Belastung durch Abgaben und Leistungen. Kleinere Bauernhöfe waren im Vergleich zu größeren stärker belastet.

"Es ist also der Ertrag dieses geringen und daneben sehr onerierten Meierhofes kaum dazu hinreichlich, daß ein zeitiger Colons (Bauer) für sich und seine Familie mit möglichster Einschränkung nur diejenige Bedürfnisse davon genießt, ohne welche sein Dasein zum Zweck der Dienstleistung und gutsherrlichen Prästation nicht bestehen kann."

Dieses Fazit findet sich in einem Ertragsanschlag vom 4.Januar 1794 für einen mittelmäßigen Meierhof in Jetenburg im Amt Bückeburg, nachdem vom Berichterstatter alle möglichen Einnahmequellen aufgelistet und deren Erträge zusammengezählt worden waren.
Nach Abzug aller Abgaben und Leistungen (Natural- und Geldabgaben wie Zinshühner, allgemeine Steuern, Hofzins, Kontributionen, Kriegssteuern, Mahlgeld, Brandsteuer, Wächtergeld) wie auch der Aufwendungen für einen Knecht und eine Magd sowie der für die Aufrechterhaltung des Betriebes und für die eigene Lebenshaltung blieben dem Bauern keinerlei Reserven für außergewöhnliche Belastungen, zu denen in diesem Fall auch die Verpflichtungen zu zählen sind, "die ein zeitiger Colonus obschon nur nach dem Maß der Policey-Ordnung seinen Kindern beim Heiratsfalle leisten muß..."

Bei derartigen oder anderen zusätzlichen Belastungen drohte dem Hof die Verschuldung und damit über kurz oder lang dessen Verlust durch eine Zwangsversteigerung. Dass derartige Zwangsversteigerungen keine Einzelfälle waren, zeigen Bemühungen der hessischen Regierung, durch geeignete Maßnahmen (Gewährung zinsfreier Darlehen und ratenweise Zurückzahlung) eine solche Entwicklung zu verhindern und so weitere Bauern vom Auswandern abzuhalten.

Dem Bauern Johann Peter von der Haid aus Schwickartshausen konnten diese Maßnahmen anscheinend in seiner Situation nicht mehr helfen. In einer Eingabe an den Landgrafen von Hessen schreibt er:
"So wahr wir uns beeifern, die herrschaftlichen Gelder richtig abzutragen, und uns von anderen Schulden zu entledigen, so wenig sind wir imstande gewesen, diesen Vorsatz zu erfüllen, sonder wir sind und kommen von Tag zu Tag tiefer hinein, so daß wir dermalen kein Mittel mehr vor uns sehen, uns ferner zu ernähren, als wenn wir mit nach den russischen Reichen ziehen."
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