Geschichte der Russlanddeutschen

Auswanderung der Deutschen

Teil 1 1763 - 1820

4 Ankunft im Siedlungsgebiet

4.1.3 Von Ulm nach Odessa

lastenschiff

Zwischen 1804 und 1818 gelangten zahlreiche Siedler aus dem schwäbischen Raum auf der Donau von Ulm über Wien - Budapest und Belgrad bis zur ehemaligen türkischen Festung Ismail im Donaudelta. Von dort aus ging es weiter nach Odessa. Hier erfolgte die Zuweisung in die einzelnen Kolonien im Schwarzmeergebiet oder im Kaukasus.

Über die Strapazen und Gefahren, denen die zukünftigen Kolonisten ausgesetzt waren, gibt es Reiseberichte, die als Beschreibungen oder als Briefe vorliegen.

So beschrieb der aus Oetlingen stammende Johann Chr. Bidlingmaier die Fahrt auf der Ulmer Schachtel link in einem Brief vom 18. Juli 1817 an die zurückgebliebenen Nachbarn und Verwandten. Wir erfahren von der großen Anteilnahme, die die Ausreisenden in Wien erfuhren. Dort verglich man die Reise etwas euphorisch mit dem Auszug der Kinder Israels ins Heilige Land. Die Reisebeschreibung vermittelt dem Leser nicht nur den Optimismus, mit dem die Menschen die Reise antraten, sondern auch die Hoffnung, nun den schlechten Verhältnissen in der Heimat entronnen zu sein. So schreibt er:

  ""Überhaupt sind wir im Leiblichen recht wohl geraten, von Ulm aus bis jetzt, so dass wir öfters denken, wie mangelhaft es bei euch hergehen werde. Wenn wir euch nur mit Unterhalt auch dienen könnten, bei so wohlfeilen Preisen ... Alles ist hier wohlfeiler ... Wenn wir euch nur mitteilen könnten in eurem Mangel."

Der Optimismus gründete sich auf Eindrücke, die die augenscheinlich fruchtbaren Landschaften auf die Auswanderer machten:

  "Die Landteile durch die wir reisen, sind alle so ergiebig von Wien bis daher (Galatz), so daß wir uns verwundern mußten ... So ettliche Württemberger hätten sich so wohl zu nähren, und soviel haben nicht einen Schuh breit bei uns!"

Warum sollte es in der neuen Heimat anders sein?

Die Reisebeschreibung des 1817 aus Rosenfeld ausgewanderten Johann Georg Höhn enthält zudem zahlreiche Passagen über Krankheiten ("Nerven- und andere Fieber, gelbe und rothe Ruhr, große Geschwüre an Kopf und Hals wüteten heftig"), die sich unter den Reisenden ausbreiteten und denen ein Teil von ihnen zum Opfer fiel. Mitunter waren über 400 Menschen auf einem Schiff zusammengedrängt, was solche Vorgänge ganz sicher begünstigte.

Auch Friedrich Schwarz, der mit seiner Frau und neun Kindern unter "allerbitterste(m) Trennungsschmerz" am 26. Juni 1817 die Reise nach Russland antrat, berichtete von Opfern unter den Mitreisenden. Für den 29. August 1817 notierte er:

  "Von allen 5 Schiffen starben in diesen Tagen, die wir in Galatz zubringen mußten (Ankunft war am 19.8.), 42 Menschen." Fast die Hälfte aller Aussiedler war erkrankt. Weitere Todesopfer waren dann während der mehrwöchigen Quarantäne vor Ismail zu beklagen. Für die kranken Familienmitglieder hatte Friedrich Schwarz "gar nichts zur Labung als Donauwasser ..."

Wie viele der von Ulm nach Odessa aufgebrochenen Kolonisten letztendlich ihr Ziel erreichten und wie viele von ihnen durch Unfälle oder Krankheiten umkamen, ist nicht mit Gewissheit zu sagen. Man schätzt, dass von den rund 9.000 Auswanderern, die 1816/17 Württemberg verließen, etwa 3.000 in Ismail verstarben. Johann Georg Höhn erwähnte in seinem Bericht, dass dort "1.328 Emigranten ... begraben liegen."
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